16 – 19 April 2026
Messegelände Köln

8. Juni 2021, von Cornelia Tautenhahn

FIBO-Serie: Women Leadership

Frauen in der Fitnessbranche: Emma Lehner über Führung, Verantwortung und Diversität

Emma Lehner ist Co-Founder des EMS-Anbieters Bodystreet. Wir haben mit ihr über Frauen in der Fitnessbranche, ihren Führungsstil und die aktuellen Herausforderungen der Fitnessbranche gesprochen. 

„Man muss die Menschen inspirieren können, damit sie eine Bedeutung in den Unternehmenszielen für sich selbst und ihr Potenzial erkennen“

Emma Lehner gehört in vielerlei Hinsicht zu den Vorreiterinnen der Fitnessbranche – als Gründerin, als Frau, als Führungspersönlichkeit und Visionärin. Führung, gesellschaftliches Engagement und die Weiterentwicklung der Fitnessbranche gehen bei ihr Hand in Hand. Emma Lehner ist Co-Founder der EMS-Boutique-Studiokette Bodystreet. Bodystreet ist Träger des Global Franchise Award und Beste Franchise-System des Jahres 2016-17.

Zusammen mit ihrem Mann Matthias Lehner gründete sie 2007 das erste reine EMS-Studio weltweit. Aus einem Studio wurden 320 Studios, aus drei Mitarbeitern über 1.000 auf drei Kontinenten mit über 40.000 Mitgliedern.

Emma Lehner verfügt über umfassendes Know-how im Leistungssport und der Sportmedizin. Sie ist ehemalige Profi-Leichtathletin und war Mitglied in der Nationalmannschaft von Tansania. Darüber hinaus ist sie unter den Top Influential Women im globalen Franchising und Senatorin im Senat der Wirtschaft Deutschland. Wir haben mit ihr über Frauen in der Fitnessbranche, ihren persönlichen Führungsstil und die aktuellen Herausforderungen der Fitnessbranche gesprochen.

 

FIBO: Bitte erzähle uns deine persönliche Geschichte: Was hat dich zur Gründung von Bodystreet inspiriert?

Emma Lehner: Ich bin vor rund 40 Jahren aus Tansania nach Deutschland gekommen. Ich habe eine große Leidenschaft für Sport und wollte dies auch nach Beendigung meiner Profikarriere zu meinem Beruf machen. Ich war als Sportphysiotherapeutin im Krankenhaus mit schwer Erkrankten tätig. Diese Erfahrung hat mir gezeigt: Ich möchte präventiv tätig werden. Ich wollte eingreifen, bevor Krankheiten entstehen. So kam ich als Personal Trainerin in die Fitnessbranche, von Anfang an mit dem Traum, eines Tages ein eigenes Studio zu besitzen. 2001 haben mein Mann und ich ein kleines, konventionelles Fitnessstudio mitten in München übernommen.

© Bodystreet
Bei Bodystreet steht die Dienstleistung und kontinuierliche Betreuung im Fokus.

Wie war der Weg vom konventionellen Studio zum weltweiten Erfolgsschlager EMS-Franchising?

Lehner: Für uns stand immer die Dienstleistung und kontinuierliche Betreuung im Fokus. Von Beginn an gab es bei uns feste Termine und eine intensive Beratung. Dennoch haben wir natürlich nicht alle Zielgruppen erreicht, die wir wollten. 2006 habe ich auf der FIBO die auf dem Fitnessmarkt ganz neue EMS-Technologie kennengelernt. Es hat mich direkt überzeugt, denn ich kannte diese Methode schon in meiner Zeit als ich im Krankenhaus tätig war. 2007 haben wir damit angefangen EMS-Trainings in einer Modeboutique anzubieten. Nach dem Motto: Einkaufen und direkt für die Wohlfühl-Kleidergröße trainieren. Die Frauen, die bei uns trainiert haben, haben wir durch die Kombination aus Zielerreichung, persönlicher Betreuung und wenig Zeitaufwand überzeugt. Die Frauen haben dann ihre Männer mit ins Studio geholt und so ging es weiter, und wir wurden größer und überzeugten noch mehr Menschen für die Bodystreet Methode und sie wurden Bodystreet Fans.

2009 haben wir ein Franchise-Konzept daraus gemacht. So konnten wir vielen Menschen den Einstieg in die Branche ermöglichen. Unsere Vision wurde zu einer Fitnessbewegung. Unser Modell Mikrostudios zu einer neuen Kategorie im Markt.

Du hast die Verantwortung für weltweit rund 1000 Menschen. Was ist deine Definition von guter Führung?

Lehner: Ich sehe mich als eine Art Teamcoach. Der Mensch steht im Mittelpunkt und muss wachsen können. Man arbeitet idealerweise nicht „für“ jemanden, sondern man wird ein Teil des Unternehmens. Dann entsteht der „Big Impact“.

Eine gute Führungskraft muss Menschen unbedingt für seine Ideen inspirieren können. Es geht um Leidenschaft und um die Fähigkeit positiv beeinflussen zu können. Man wird zu einer Art Influencer. Dafür braucht man natürlich selbst eine tiefe Überzeugung der eigenen Vision, und muss diese auch vermitteln können. Führung ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Es ist eine langfristige und nachhaltige Strategie, die ganz viel mit den eigenen Fähigkeiten und dem eigenen Charakter zu tun hat.    

 

Woraus ziehst du deine Werte?

Lehner: Für mich hat Führung ganz viel mit Sport zu tun. Welche Eigenschaften haben Top-Sportler? Das sind Disziplin, Authentizität, Durchhaltevermögen, Widerstandsfähigkeit, Teamwork, Zielstrebigkeit, Hilfsbereitschaft, Fairness, Eigenverantwortung, Selbststeuerung, Kritikfähigkeit. Eine Führungskraft sollte sich als Role Model und Mentor sehen. Es geht auch ganz viel um Vertrauen. Nehmen wir einmal das Homeoffice: Das hat so vielen Arbeitgebern in der Corona-Krise Kopfschmerzen bereitet. Warum? Weil das Vertrauen gefehlt hat.

 

Frauen sind in vielen Branchen im Management und in Führungspositionen unterrepräsentiert. Wie können Frauen ihren Platz in der Fitnessbranche finden? 

Lehner: Das Mindset spielt eine ganz entscheidende Rolle. „It’s a man’s world“ ist bei vielen hängengeblieben. So sehen sich viele Frauen auch einfach nicht in Führungspositionen, während Männer der Auffassung sind, dass sie diese Führungsaufgaben übernehmen müssen. Frauen müssen mehr Selbstsicherheit aufbauen. Unsere weiblichen Eigenschaften sollten wir mit einbringen. Wir sollten uns dabei aber nicht verzetteln, sondern auf eine Sache konzentrieren, um unser persönliches Ziel zu erreichen. Und natürlich sollte man sich Führungsskills auch durch Weiterbildung aneignen.

 

Aber nicht alles können die Frauen aus sich selbst heraus verändern.

Lehner: Nein, neben dem Mindset sind die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen essentiell. Dabei geht es um den Wiedereinstieg in der Beruf nach der Elternzeit und auch um die Förderung von Gründerinnen. Denn es gibt heutzutage Riesen-Chancen für Frauen. Es gibt Vorbilder in Politik und Wirtschaft, auch in der Fitnessbranche, nehmen wir zum Beispiel Silke Frank, Jennifer Halsall-de Wit oder Emma Barry. Leider sind es noch zu wenig Gründerinnen, die in der Fitnessbranche etwas aufbauen.

 

Wie wichtig sind Netzwerke für Frauen?

Lehner: Netzwerke haben für mich eine Schlüsselfunktion. Das Zusammenkommen von unterschiedlichen Charakteren ist sehr wertvoll. Man kann voneinander lernen und einen konkreten Nutzen daraus ziehen. Unternehmen sollten das fördern, nicht nur auf Geschäftsführungsebene. Bei Bodystreet treffen nicht nur Mitarbeiter in unterschiedlichen Formaten zusammen, sondern auch unsere Partner. Das ist ein ganz wichtiger Baustein, um zukunftsfähig zu sein.

 

Wie kommen wir in der Fitnessbranche – unabhängig von Führungsrollen – zu mehr Diversität, geschlechterspezifisch, ethnisch und kulturell?

Lehner: Wir müssen die Globalisierung akzeptieren. Große Erfolge entstehen, wenn Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenkommen. Durch vielseitiges Know-how entsteht Unternehmenswachstum. Es wird in der Fitnessbranche immer wichtiger werden Diversität zu leben. Natürlich ist es nicht immer einfach Schubladendenken zu vermeiden, aber wir sollten die Vielfalt umarmen und die Menschen integrieren. So können wir eine bessere Zukunft entwickeln.

 

Inwieweit gehen für dich Führungsverantwortung und gesellschaftliches Engagement Hand in Hand?

Lehner: Alle drei Säulen der Nachhaltigkeit sollten einen festen Platz in der Agenda jedes Unternehmens haben. Und das hat auch direkte wirtschaftliche Vorteile: Denn so wird man auch ein attraktiver Arbeitgeber, gerade für die junge Generation. Wir können auf vielen Ebenen die Lebensbedingungen und Chancen von Menschen beeinflussen. Bei Bodystreet ist das Thema sehr präsent. So schauen wir natürlich auch auf unsere Lieferanten. Wie werden die Produkte hergestellt? Wie sind die Arbeitsbedingungen?

Auch die Mitarbeiterorientierung gehört dazu, zum Beispiel das betriebliche Gesundheitsmanagement, Gleichstellung, Diversität. Ganz wichtig sind uns die Ausbildung und Perspektiven für die Mitarbeiter. Bei unserem Projekt „Second Generation“ fördern wir schon gezielt Führungskräfte und Gründer von Morgen.

 

Kommt der Fitnessbranche bei der gesellschaftlichen Verantwortung eine besondere Rolle zu?

Lehner: Wir sollten nicht immer warten, bis Leute krank werden, sondern aktiv präventiv eingreifen, gerade bei den Jüngeren. Wir gehen mit der Bodystreet Kids Fundation in die Schulen, machen mit den Kindern Sport und sprechen mit ihnen über eine gesunde Ernährung. Immer mehr Kinder leiden an Zivilisationskrankheiten, haben Übergewicht, Bluthochdruck oder Diabetes. Wir bringen den Kindern bei, selbst die Verantwortung zu übernehmen. Die Fitnessbranche als Ganzes könnte in dem Bereich so viel bewegen.

Nach Corona sprechen alle über die Zukunft der Fitnessbranche. Wie sieht dein Szenario aus?

Lehner: Viele Branchen werden Veränderungen erleben, da sich das Konsumentenverhalten verändert hat. Drei Dinge rücken in den Fokus: Home-Training, Gesundheit und digitale Fitness. Unsere Kunden sind meist einfach keine Leistungssportler, sie wollen ein Erlebnis. Hybride Modelle und Outdoor-Angebote werden zunehmen. Es wird ein Stück leichter für uns werden, Mitglieder zu gewinnen. Denn die Menschen wollen Prävention. Auch der Bereich nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen werden an Bedeutung gewinnen.

 

Die Corona-Pandemie hat unser Gesundheitsbewusstsein geschärft. Wie kann sich die Fitnessbranche das zunutze machen?

Lehner: Wir haben hier eine riesen Chance. Natürlich müssen wir die Krise erstmal überstehen. Unternehmen müssen flexibel reagieren, sie müssen anpassungsfähig sein. Man braucht ein strukturiertes Change-Management, Agilität, Prozessoptimierung, Coaching der Mitarbeiter. Man muss kreativ sein, Innovationen und gesundheitsfördernde Maßnahmen einbringen. Das alles muss strategisch durchdacht sein. Zudem müssen wir uns die Digitalisierung zunutze machen. Wir brauchen ein umfangreicheres Angebot als früher. Wir müssen den Mitgliedern auch Tipps zu einem gesunden Leben außerhalb des Studio-Besuchs geben.

Gemeinsam werden wir diese Krise nutzen, die gesamte Branche positiv weiterzuentwickeln und Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Gesellschaft auf ein anderes Niveau zu heben. Darauf können wir stolz sein. Wir werden es schaffen, immer mehr Menschen von einem aktiven Lebensstil zu überzeugen.

Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Cornelia Tautenhahn, Senior Content & PR Manager

© Bodystreet
Emma Lehner ist sich sicher: hybride Modelle und Outdoor-Angebote werden zunehmen.


Netzwerk für Frauen in der Fitnessbranche

Die WIFA ist ein Netzwerk, das Frauen aus der Fitness Branche zusammenbringt, um sich gegenseitig zu inspirieren, Synergien zu schaffen und wertvolle Beziehungen aufzubauen. Eine WIFA Mitgliedschaft gibt dir die Möglichkeit, mit einflussreichen und ambitionierten Frauen aus der ganzen Welt in Kontakt zu treten, von ihnen zu Lernen aber auch dein Wissen und deine Erfahrung mit dem Netzwerk zu teilen. Mehr Infos gibt es hier: www.wifa.org/wifade