10. Mai 2021, von Cornelia Tautenhahn
Was die digitale Transformation für die Fitnessbranche leisten kann
Philipp Roesch-Schlanderer, CEO von EGYM über die Kundenbedürfnisse in Sachen Digitalisierung und seine Vision für die Fitnessbranche.
In Zukunft könnte gelten: Kein Erfolg ohne ein sinnvolles digitales Angebot mit der entsprechenden Infrastruktur. Denn ohne Investitionen in die Digitalisierung könnten vielen Studios langfristig wirtschaftliche Einbußen drohen. Für EGYM begann die Digitalisierung der Fitnessbranche im Jahr 2010, inzwischen ist daraus ein internationales Unternehmen mit mehr als 350 Mitarbeitern geworden. Gründer und CEO Philipp Roesch-Schlanderer hat eine klare Vision für digitale Erfolgsstrategien und die Fitnessbranche von morgen.
FIBO: Was sind die größten Treiber für die digitale Transformation der Fitnessbranche?
Philipp Roesch-Schlanderer: Zum einen sind das natürlich die Mitglieder - sie alle haben Smartphones, ihr Leben ist zunehmend digital, selbst modernes Home-Equipment ist vernetzt. Da können die Gyms nicht länger außen vor bleiben, wenn sie nicht abgehängt werden wollen - connected fitness ist ein Megatrend! Dazu kommt steigender Wettbewerbsdruck, denn Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern ein wichtiger Aspekt für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg. Und die Betreiber tauschen sich ja untereinander aus. Wer dann links und rechts digitale Erfolgsstorys hört - sinkende Kündigungsquoten, höhere Mitgliederzufriedenheit, mehr Trainingserfolg - der möchte doch nicht länger hintanstehen. Corona hat die Digitalisierung inzwischen deutlich beschleunigt, auch weil für die Mitglieder gesundheitsorientiertes Training enorm wichtig ist und sie einfach sicher gehen wollen, dass ihnen ihr Training etwas bringt.
Wie würden Sie die Fitnessbranche in Sachen Digitalisierung einordnen: Vorreiter oder Spätzünder?
Roesch-Schlanderer: Viele Studiobetreiber bieten schon länger digitale Nebenprodukte an. Aus meiner Sicht ist aber die Digitalisierung des Kernprodukts am wichtigsten, sprich: die Digitalisierung der Trainingsfläche. Unsere Vision ist eine komplett digitalisierte Fläche, die dem Trainierenden ein perfektes Training und dessen Wirkung durch Datenmessung ermöglicht. Für mich sind messbare Trainingsleistungen der größte Wert der Branche. Das Gym darf im Jahr 2021, wie gesagt, keine analoge Insel mehr sein im ansonsten weitgehend digitalen Leben der Mitglieder. Die Branche ist überwiegend sehr motiviert, ihre Anlagen entsprechend upzugraden.
2010 haben Sie Ihr Unternehmen gegründet. Ihre damalige Vision eines „Fitnessstudios für alle“ ist heutzutage aktueller denn je. Aber wie bekommen wir die Menschen denn nun – vorausgesetzt es ist wieder möglich – in die Studios?
Roesch-Schlanderer: Obwohl die Datenlage - etwa zu den positiven Folgen des Muskeltrainings - eindeutig ist, wurden Fitnessstudios auf der ganzen Welt zu Beginn der Pandemie recht schnell und konsequent geschlossen. Unsere Branche wird in der Politik, aber auch in der Öffentlichkeit derzeit nicht wirklich als Teil der Gesundheitsbranche wahrgenommen. Daher muss sich jeder fragen, was er besser machen kann, um die Vorteile des Produkts Gesundheit durch Fitnesstraining besser zu vermitteln. Das Wissen darum allein reicht nicht aus. Viel wichtiger ist es, das Bild des Gyms in der öffentlichen Wahrnehmung tatsächlich so zu verändern und zu stärken, dass es dem positiven Wirken in unseren vielen Fitness- und Gesundheitsanlagen gerecht wird. Erfolgsmessung des Trainings, etwa über unser „EGYM BioAge“, spielt bei Motivation und “Dabei bleiben” eine große Rolle.
Was sind die drei größten Kundenbedürfnisse im Fitnessstudio, die durch digitale Lösungen befriedigt werden können?
Roesch-Schlanderer: Interessanterweise haben wir genau diese Frage im Rahmen einer kleinen Studie vor einigen Jahren selbst erhoben. Ergebnis: smartes Onboarding für Neukunden, wiederkehrende Messungen und Flexibilitätstests sowie Visualisierung des Trainingserfolgs. Diese drei Kundenbedürfnisse adressiert unser neuer Fitness Hub dank innovativster Technologie auf einen Schlag und stellt damit die Mitgliederbetreuung auf ein völlig neues Level.
Wearables und Fitness-Apps erfreuen sich steigender Beliebtheit. Wie können Studiobetreiber diesen Trend nutzen?
Roesch-Schlanderer: Indem sie diese digitalen Tools zusammen mit ihren Geräten im Studio in ein ganzheitliches Ökosystem integrieren. Der Fitness Hub ist nur ein weiterer Baustein unseres offenen Ökosystems, das sämtliches von unserem Equipment, eine ständig wachsende Zahl angebundener Geräte führender Drittanbieter und natürlich die unternehmenseigenen Apps für Trainer und Mitglieder umfasst. Übersetzt für das Mitglied heißt das: Sämtliche Trainingsfortschritte, die der Fitness Hub erfasst, weist die „EGYM Branded Member App" u.a. in ihrer beliebten BioAge Funktion zuverlässig aus – separat für die Bereiche Kraft, Kardio, Stoffwechsel und Beweglichkeit.
Stichwort Homeoffice und Bewegungsmangel: Wie kann die Fitnessbranche intensiver mit Unternehmen zusammenarbeiten, um den BGM-Markt zu erschließen?
Roesch-Schlanderer: Unter dem Dach von „EGYM Business“ betreiben wir mit unserer Firmenfitnessmarke qualitrain bereits ein extrem erfolgreiches Programm für Unternehmen in ganz Deutschland, indem wir deren Mitarbeitern Zugang zu mehr als 4.000 Sport-, Fitness- und Gesundheitseinrichtungen und Online-Kursen zu Bewegung, Ernährung und Meditation geben. Derzeit bringen wir gemeinsam mehr als 70.000 Mitarbeiter in Bewegung.
Was ist Ihre Vision für die Fitnessbranche in 10 Jahren?
Roesch-Schlanderer: Die Mitglieder werden eine nahtlose Fitnesserfahrung haben, d.h., egal wo und was sie trainieren, sie tun es zielgerichtet und entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten. Der Trainingsschwerpunkt wird auf Prävention und Verbesserung der Gesundheit liegen. Trainer sind dank digitaler Unterstützung komplett von Routinetätigkeiten entlastet und zu hundert Prozent auf Coaching fokussiert. Das wertet den Trainerberuf insgesamt massiv auf. In den Anlagen trainieren wesentlich mehr Menschen als jemals zuvor, weil wir es geschafft haben, uns durch stetige Verbesserung unseres Leistungsangebots als unerlässlich und alternativlos - gerne auch: als systemrelevant - zu etablieren.